„Idealerweise ist der Bericht ein Strategiewerkzeug“

Die CSR-Richtlinie ist beschlossene Sache. Das neue Gesetz verpflichtet große und kapitalmarktorientierte Unternehmen, Auskunft über ihre Umwelt-, Arbeitnehmer-

Die CSR-Richtlinie ist beschlossene Sache. Das neue Gesetz verpflichtet große und kapitalmarktorientierte Unternehmen, Auskunft über ihre Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange zu geben. Wie sieht der Zeitplan aus und warum sollten betroffene Unternehmen möglichst schnell handeln?

Häufig wird davon gesprochen, dass die Berichtspflicht ab 2017 gilt. Das wird oft so verstanden, dass die Unternehmen dieses Jahr berichten müssen. Das trifft nicht ganz zu, denn sie müssen 2018 über das Berichtsjahr 2017 berichten. So gesehen ist die ‚Panikmache‘ nicht unberechtigt. Denn Unternehmen, die erstmals berichten, können ein Jahr Vorbereitungszeit gut gebrauchen. Es muss ein Prozess in Gang gesetzt werden, der bei dieser Unternehmensgröße sehr aufwendig sein könnte. Kurzum: diese Firmen haben weniger als ein Jahr Zeit, um sich vorzubereiten. Das ist beim Großteil der Betroffenen aber nicht der Fall, da die meisten ja bereits erfahrene Berichterstatter sind.

 

Einige größere Unternehmen erfüllen die Vorgaben des Gesetzes bereits jetzt. Gibt es hierzu Standards, an denen sich Firmen orientieren können?

 Ja. Im Kommentar zum Gesetzentwurf wurden einige Standards als Orientierung für die Unternehmen genannt. Dabei dürfen die Firmen frei entscheiden, ob und welchen Standard sie nutzen. Sie müssen sicherstellen, dass alle Aspekte der Berichterstattung vom jeweiligen Rahmenwerk abgedeckt sind. Und das ist tatsächlich der Fall bei nur zwei Standards: Dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) der Bundesregierung und den Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI). Diese erfüllen weitgehend die Berichtspflicht.

Im Fall des DNK wurde das sogar juristisch geprüft. Das heißt, Unternehmen, die eine DNK-Entsprechenserklärung abgeben, erfüllen automatisch die Berichtspflicht. Der DNK ist für Mittelständler und Einsteiger geeignet, während der GRI-Standard für große, international agierende Unternehmen angedacht ist. Die Grenze ist in den vergangenen Jahren immer fließender geworden. Zum einen etabliert sich der DNK als die abgespeckte Alternative zum GRI-Standard in anderen europäischen Ländern. Zum anderen nutzen auch viele Mittelständler die GRI-Leitlinien, da sie international tätig sind und ihre Kunden das erwarten. Beide Werke haben ihre Vorteile, die im Einzelfall abzuwägen sind.

 

Über ihre Geschäftsbeziehungen zu berichtspflichtigen Unternehmen werden auch kleine und mittlere Betriebe verpflichtet, Nachhaltigkeitsaussagen offen zu legen. Wie können diese der geforderten Berichtspflicht nachkommen und gleichzeitig die bürokratischen Lasten in Grenzen halten?

Wenn wir es genau nehmen, werden diese nicht ‚de jure‘, sondern ‚de facto‘ betroffen sein. Der Gesetzgeber hat explizit versucht, den Kreis der Betroffenen so einzugrenzen, dass der Mittelstand nicht direkt, also ‚de jure‘ betroffen ist. In der Realität wird jedoch bereits darüber berichtet, dass sich viele Mittelständler – als Lieferanten von berichtspflichtigen  Großunternehmen – mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Entweder wird die Berichterstattung als Bedingung für die Weiterführung der Geschäftsbeziehungen gestellt oder sie wollen aus Wettbewerbsgründen herausstechen bzw. nicht negativ auffallen. Dadurch kann eine ganze Branche in Bewegung geraten: Gerade im Automobil- und Maschinenbau ist das tatsächlich der Fall, auch wenn wir es hier in der Regel mit business-to-business zu tun haben. Die Lieferketten von verbrauchernahen Branchen wie Textil oder Ernährung werden laut Experten am stärksten betroffen sein.

 

Kritiker sagen, dass die CSR-Berichtspflicht nur konzipiert worden sei, weil Unternehmen nicht anders zur Wahrung von Menschenrechten, sozialen Standards, Nachhaltigkeit und Korruption zu bewegen seien. Haben diese mit ihrer Vermutung Recht?

Ja und nein. Ja, weil einige Unternehmen eine pragmatische Haltung verfolgen und sich erst dann mit den nicht finanziellen Aspekten ihrer Geschäftstätigkeit auseinandersetzen werden, wenn sie es müssen. Auslöser muss nicht unbedingt die Gesetzgebung sein – auch Anstöße durch Märkte, Investoren sowie Verbraucher haben bereits dazu geführt, dass viele  Unternehmen, sozusagen freiwillig, über ihre Nachhaltigkeitsleistungen berichten. Nein, weil gerade viele der berichtspflichtigen Unternehmen mittlerweile Berichtsprofis sind – sie haben frühzeitig erkannt, dass Nachhaltigkeitsberichte auch andere Mehrwerte schaffen können.

 

Bei CSR geht es um mehr, als hier und da für einen guten Zweck zu spenden. Es geht darum, den Unternehmensgewinn auf sozial und ökologisch verantwortliche Weise zu erwirtschaften und langfristig im Unternehmen zu binden. Können Sie positive eispiele aus der Region benennen?

Das wäre jetzt ein bisschen unfair, da wir Gefahr laufen, immer dieselben Namen zu nennen. Das möchte ich vermeiden. Manche Unternehmen machen viel, ohne darüber zu kommunizieren oder einen Bericht zu schreiben. Diese geraten oft außer Acht. Solchen versuchen wir dann ans Herz zu legen, ihre Aktivitäten nach außen zu tragen. Das bringt positive Aufmerksamkeit.

Aber noch zwei weitere Gedanken dazu: In der aktuellen Debatte bezieht sich CSR auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen vor Ort und stellt nur einen Teilaspekt von Nachhaltigkeit dar. Bei der CSR-Berichtspflicht geht es jedoch um die breite Palette an Nachhaltigkeitsthemen. Das ist für Unternehmen oft verwirrend. Zum anderen: Unternehmen können auch andere Wege als die der Berichterstattung wählen, um ihre Themen zu kommunizieren und zu positionieren. Berichterstattung ist nur eine Möglichkeit, sich zunächst selbst damit zu befassen und erst dann nach innen und außen zu kommunizieren. Idealerweise ist der Bericht ein Strategiewerkzeug für die Geschäftsführung, das langfristige Orientierung gibt. So aufgestellt, ist die Berichterstattung der beste Weg, mit den wichtigen Anspruchsgruppen in einen ehrlichen Dialog zu treten bezüglich Risiken, Chancen, Strategie und Zielen.

 

Gerade in Ostwestfalen sind viele Familienunternehmen beheimatet. Die meisten davon sind eher zurückhaltend in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und sehen gesellschaftliches Engagement als etwas Selbstverständliches an. Warum sollten sie trotzdem darüber reden?

Weil sie es können! Viele überwinden ihre Hemmungen, wenn sie merken, dass die Wettbewerber an der Stelle aktiver sind. Zudem unterschätzen viele Mittelständler, was sie schon alles ‚in der Tasche‘ haben: Umweltmanagementsysteme, Compliance-Richtlinien oder Lieferanten-Checks. Neben dem lokalen Engagement und der Mitarbeiterorientierung decken diese Dinge die wesentlichen Themen der Berichterstattung ab. Klar, dass diese systematisiert und strukturiert werden sollten, weil die Berichterstattung nur so wirklich etwas bringt.

 

Interview mit Samuil Simeonov (Ostwestfälische Wirtschaft, Ausgabe 05.2017, S.44-46)